Trotz Finanznot: Die Stadt gestalten!

Haushaltsrede vom 10.12.2014

Rede zur Verabschiedung des Haushalts der Stadt Bad Salzuflen für das Jahr 2015

Vor uns liegt ein HH-Plan, den man als ausgeglichen bezeichnet. Das Zahlenwerk ist mit viel Kleinarbeit und in Einzelberatungen zustande gekommen. Wie jedes Jahr müssen wir darauf aufmerksam machen, dass wir als Kommunalpolitiker*innen nur einen kleinen Teil der Einnahmen und Ausgaben in der Hand haben. Das soll keine Entschuldigung sein, aber viele Menschen wissen das tatsächlich nicht. Manche wissen es, schüren aber das, was man üblicherweise als Politikverdrossenheit bezeichnet.

Wie leicht werden in der Öffentlichkeit Dinge durcheinander gebracht? Es ist eine Sache, welche Mittel gebraucht werden, um „die Sachen am Laufen zu halten“. Eine andere Sache ist es, wer die Entscheidungen trifft, wie und wofür sie verwendet werden. Über diese Dinge ringen wir um die besten Lösungen. Und dann entscheiden Mehrheiten. Diese Mehrheiten sind durch Wahlen zustande gekommen. Die Bad Salzufler haben am 25. Mai die Parteien der Großen Koalition mit komfortablen Mehrheiten ausgestattet. Leider vermerken wir: Jedem und jeder Zweiten war es aber anscheinend egal, denn mit unter 50 Prozent mussten wir einen neuen Tiefstand bei der Wahlbeteiligung feststellen.

Nicht zum ersten Mal erleben wir es in diesen Tagen, dass die Wähler*innen bei der Stimmabgabe am Wahltag ihre Stimme nicht wirklich abgegeben haben. Wir Politiker bekommen ein Mandat für eine bestimmte Grundhaltung, keine Carte Blanche. Besonders bei Grundsatzentscheidungen und bei größeren Projekten wollen und müssen die Menschen gefragt werden!

In einigen Fällen ist das in der Vergangenheit mehr oder weniger gut gelungen. Im Zusammenhang mit der Fußgängerzone haben wir gemerkt: ja, es geht, aber nicht immer und wir lernen noch. Das hoffe ich wenigstens. Denn mit dem Schelmenstück „Fontäne mit Geländer“ haben Sie, Herr Oberweis, gerade das Gegenteil bewiesen und für eine Lachnummer gesorgt. Blöderweise fällt so eine einsame Entscheidung eines einzelnen Herrn dann auch uns Kommunalpolitikern auf die Füße.

Genauso wie Ihr eigenmächtiges Handeln im Kurpark – ein weiteres Beispiel dafür, wie man nicht nur uns vorführt. Die Grünen haben mehrheitlich dem seinerzeit öffentlich beratenden Parkpflegewerk zugestimmt. In diesem Herbst haben wir die Brisanz bei der Gustav-Horstmann-Allee nicht erkannt. Selbstkritisch sage ich heute für unsere Fraktion: Wir haben uns wegen des behaupteten Zeitdrucks treiben lassen. Das Vorhaben hätte nochmals in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden müssen. Wir haben leider keinen Einspruch eingelegt. Das war ein Fehler, für den wir um Entschuldigung bitten.

Mit der in dieser Form nirgends abgesprochenen Baumfällaktion wurden nicht nur gesunde Bäume aus dem Weg geschlagen. Wenn gegen große Teile der Bevölkerung gehandelt wird, legt man auch die Axt an die Demokratie. Dazu zitiere ich beispielhaft aus dem gestern (09.12.2014) erschienenen Leserbrief eines bekannten Bürgers der Stadt:

„Was sind das bloß für Ratsfrauen und Ratsherren, die da über die kommunalen Gelder entscheiden? … Ob für VitaSol, Staatsbad, Fußgängerzone – „Geld verballern“ ist angesagt. Manchmal überkommt einen das Gefühl, dass Fachausschusssitzungen nur dazu dienen, Aufwandsentschädigungen unter Ausschussmitgliedern zu verteilen.“

Nun wissen wir alle (und auch der Leserbriefschreiber weiß das!), dass Aufwandsentschädigungen a) keine Reichtümer sind und b) auch nicht in Sitzungen verteilt werden. Wie leicht entsteht aber eine diffuse Grundstimmung gegen unsere Demokratie! Dann wird berechtigter Unmut mit allgemeinem Frust, Halbwissen und Vorurteilen zusammengerührt. Und plötzlich entsteht so etwas wie PEDIGA, diese selbst ernannten Verteidiger des Abendlands.

Was hat dies mit der Beratung des städtischen Haushalts zu tun? Es geht nicht nur um die Verabschiedung eines Zahlenwerks. Es geht darum, mit welchen Finanzmitteln wir die Basics unseres Gemeinwesens ausstatten, damit möglichst alle etwas davon haben. Die einzelnen Positionen sind in den Fachausschüssen beraten und verabschiedet worden, überwiegend auch mit den Stimmen der Grünen.

Immer wieder heißt es „Ihr müsst mehr sparen“. Dieses Mantra hören wir nicht nur vom Bundesfinanzminister Schäuble. In meiner letzten HH-Rede habe ich gesagt: „Sollten wir nicht besser von der anderen Seite aus denken und an die Dinge herangehen?

  • Was müssen wir uns leisten können, damit der Slogan passt „ich fühl mich wohl“?
  • Wie kriegen wir das hin, unter Beachtung der gesetzten finanziellen Grenzen?
  • Was ist zu tun, um unsere Stadt auch für die Zukunft lebenswert zu erhalten und weiter zu entwickeln?“

Unter dem Diktat der Haushaltssicherung hat es in den letzten Jahren tiefe Einschnitte gegeben, die meist nicht unseren Beifall fanden. Aber gut. Es wurde gespart und gekürzt. Es wurden notwendige Maßnahmen immer wieder verschoben, bis es nicht mehr geht. Aufwändige Sanierungen zum Beispiel in die Schulzentren oder ins Begabad müssen sein. Brandschutz muss sein. Zu den geplanten Investitionen im Staatsbad sind wir verpflichtet, weil man seinerzeit einen für die Stadt sehr nachteiligen Vertrag mit dem Betreiber des VitaSol geschlossen hat. Wir waren damals dagegen, aber jetzt sind Verträge zu erfüllen.

Die Neugestaltung der Fußgängerzone war und ist eine echte Zukunftsinvestition zur rechten Zeit, zu der wir stehen. Es ist gut. dass im gleichen Zug die Stadtwerke die Fernwärmeleitungen mit verlegt haben. Im Rathaus, indem wir heute tagen, besteht ein Sanierungsstau, der angegangen werden muss. Der Bereitstellung des städtischen Eigenanteils von 20 Prozent haben wir zugestimmt, damit der Förderantrag beim Land gestellt werden kann. Allerdings sind wir sehr gespannt, ob das Land eine Maßnahme unter dem Namen „energetische Sanierung“ in der beantragten Höhe (Gesamtvolumen 6,85 Mio EUR) fördert, wenn die Energieeffizienz nur einen kleinen Teil des Ganzen ausmacht. Wir werden so oder so darüber noch zu reden haben – und zwar mit Beteiligung der Bürger*innen!

Nun ist Bad Salzuflen gerade aus der Haushaltssicherung raus, schon ereilt uns neues Ungemach. Die Kreisumlage wird deutlich erhöht, daran können wir nichts ändern. Da wir uns nicht noch weiter verschulden dürfen, müssen wir sehen, wo das Geld herkommen kann. Hier erleben wir hautnah, was es heißt, wenn die Kommunen unterfinanziert sind. Das ist keine neue Erkenntnis. Gesetze werden in Berlin gemacht. Umsetzen und bezahlen müssen es zum Teil die Länder, überwiegend aber die Städte und Gemeinden. Seit vielen Jahren wird gefordert, die Gemeindefinanzen neu zu ordnen. Der Kämmerer hat im HH-Plan dargestellt, aus welchen Quellen wir unseren Haushalt speisen. Nur ein kleiner Teil besteht aus echten Gemeindesteuern.

Den größten Teil macht die Gewerbesteuer aus. Die Idee war und ist, dass die Kommune direkt von der Wirtschaftskraft vor Ort profitieren soll. Die Sache hat nur einen Haken: Die Gewerbesteuer ist extrem konjunkturabhängig und wirkt ohnehin immer nur mit Zeitverzögerung. Deshalb gibt es einen gewissen Ausgleich für finanzschwächere Kommunen über die Umverteilung über das Land.

Die zweite wichtige Finanzierungsquelle ist die Grundsteuer. Diese Realsteuer wird seit dem Mittelalter erhoben auf Grund und Boden. Seit 150 Jahren ist sie eine originäre Gemeindesteuer. Darin sollen der Realwert, der Ertragswert und der Verkehrswert enthalten sein, um eine möglichst gerechte Besteuerung zu ermöglichen. Leider wird der sog. Einheitswert nach der Methode von 1964 ermittelt, ist also nicht auf der Höhe der Zeit.

Es hilft uns aber heute nicht, diesen Mangel zu beklagen. Wir müssen sehen, wie wir zurecht kommen. Der Kämmerer schlägt angesichts der neuen Lasten vor, die Grundsteuern A und B kräftig zu erhöhen, um die Lücke von ca. 2,4 Mio EUR zu decken. Natürlich gibt es dagegen Protest. Der Hauptgeschäftsführer der IHK Lippe warnt vor einer Erhöhung. Er führt als Begründung an, dass wir damit „gerade den Stützen des Wirtschaftsstandortes Bad Salzuflen eine extreme Mehrbelastung aufbürden“. Ist das tatsächlich so? Wir hören aus der Wirtschaft andere Stimmen. Viel entscheidender als der Steuersatz ist die Infrastruktur, die unsere Stadt bietet. Dazu zählen nicht nur Straßen und die Versorgung mit Wasser und Energie, sondern auch Schulen, KiTas, ein vielfältiges Kulturangebot und soziale Einrichtungen. Kurzum, alles was zu dem Slogan „Ich fühl mich wohl“ gehört.

Freie Wähler und FDP fordern kurzfristig pauschale Kürzungen und Verschiebungen von Ausgaben. Abgesehen davon, dass Ihre Anträge ziemlich spät kommen, ist das nach unserer Prüfung unseriös, nicht zu realisieren und nicht zu verantworten. Das ist ein Irrweg, den wir nicht mitgehen. Es ist leider so: Was früher versäumt wurde oder aus HH-Gründen verschoben wurde, kommt jetzt zeitgleich. Investitionen, die nicht getätigt oder auf später verschoben werden, bedeuten keine Entlastung von Schulden. Sie erhöhen vielmehr die Schulden, die ohnehin schon da sind. Denn irgendwann sind Sanierungen nicht länger aufzuschieben. Die Beispiele dafür muss ich hier nicht aufzählen, es würde zu lange dauern.

Es wäre für uns ein leichtes, Nein zu sagen zur Erhöhung der Grundsteuern. Auf den ersten Blick sieht es für manche so aus, als würden wir Politiker den Bürgern in die Tasche greifen und sie abziehen. Sie bekommen aber eine Gegenleistung dafür. Unsere Stadt soll lebenswert und liebenswert bleiben. Die Stadt liefert quasi eine Flatrate an Leistungen, die nicht selbstverständlich sind und nicht für lau zu haben sind. Es kommt darauf an, dass die Mittel effizient und nachhaltig eingesetzt werden. Deshalb muss es eine ständige Aufgabenkritik geben.

Steuern zahlen ist nichts Schlimmes. Im Gegenteil: Angesichts von 35.000 Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung und der Aufdeckung legaler Steuertricks im Land des EU-Präsidenten sagen wir: Dem Land und seinen Bürgern Steuern zu entziehen, ist unanständig. Auch wenn es schwer fällt: Die Grünen stimmen der Erhöhung der Grundsteuer-Hebesätze zu. Ebenfalls stimmen wir dem Stellenplan zu.

Die allermeisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung und den städtischen Einrichtungen machen einen guten Job – für uns alle. Dafür sagen wir an dieser Stelle ganz herzlichen Dank. In dieser schwierigen Lage gilt ein besonderer Dank dem Kämmerer unserer Stadt Wilfried Schlüer. Sie reden nichts schön und machen auf die Vorläufigkeit der Schätzungen aufmerksam.

In der Gesamtabstimmung über den Haushalt werden wir aber mit Nein stimmen. Nach den Wahlen haben sich SPD und CDU wieder auf eine Rathauskoalition verständigt. Andere Alternativen der Zusammenarbeit auch mit uns waren den beiden Parteien „zu anstrengend“, wie sie sagen. Ja, wir sind sicher anstrengender. Weil wir oft unbequeme Fragen stellen und den Finger in die Wunden legen. Und wie eingangs aufgeführt lassen wir uns nicht in die Mithaftung für Fehlentscheidungen und Verhaltensweisen nehmen, für die wir nicht verantwortlich sind. Erwarten Sie daher nicht noch unseren Segen.

Vielleicht sieht die Lage in einem Jahr anders aus. Mit einem neuen Bürgermeister, wer immer es dann sein wird. Mal sehen, was sich da noch tut.

(Ingo Scheulen, Fraktionsvorsitzender)